Inhaltsverzeichnis
Sicherheitskonzepte müssen kein Buch mit sieben Siegeln sein, in diesem Artikel erfährst Du in den folgenden 7 Absätzen wie wir uns jedem Sicherheitskonzept individuell widmen. Die folgenden Stichpunkte helfen Dir bereits jetzt, einen ersten Überblick zu erhalten:
- Ist- und Soll-Analyse
- Risikoanalyse
- Kompensationsmaßnahmen
- An- und Abreiseverkehr
- Kommunikationswege
- Unvorhergesehene Ereignisse
- Krisenmanagement vor Ort
1. Ist- und Soll-Analyse
1.1. Ist-Analyse
Die Ist-Analyse beschreibt das gesamte Veranstaltungsgelände mit den vorhandenen Flächen und Gebäuden. Innerhalb der Flächenbetrachtung solltest du die vorhandene Vegetation nicht auslassen – gerade dieses Thema wird in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger. Betrachte an dieser Stelle auch schon mal die vorhandenen Sanitäranlagen, Parkplätze, deren Zu- und Abfahrten sowie die Bewegungsflächen für die Veranstaltungsbesucher. Gibt es Stolperfallen? Müssen Bereiche besonders geschützt werden? Werden Durchfahrsperren benötigt?
1.2. Soll-Analyse
In der Soll-Analyse beschreibst Du die Veranstaltung zur Hauptzeit – alle Gäste sind da, der Anreiseverkehr ist nahezu abgeschlossen, die Parkplätze sind voll und der Haupt-Act steht auf der Bühne. Kurz gesagt, die Party ist in vollem Gange. Betrachte die jetzt erforderlichen Ressourcen aus den Bereichen Ordnungsdienst, Sanitätsdienst und Brandsicherheitswache. Wie Du den Sanitätsdienst berechnest, erkläre ich Dir später in diesem Artikel. Findet die Veranstaltung im Freien statt? Welche Show-Act’s treten auf?
2. Risikoanalyse
Die Risikoanalyse ist ein dynamischer Prozess. Führe Interviews mit den Verantwortlichen aber auch mit anderen Mitarbeitenden. Aus diesen Gesprächen heraus entstehen häufig die wichtigsten Hinweise.
Nun gilt es die möglichen Risiken der Veranstaltung zu betrachten. Wir nutzen dazu eine Tabelle sowie unsere Risikomatrix – eine etwas angepasste und erweiterte Form der Nohl Matrix aus dem Arbeitsschutz.
Wir betrachten die Eintrittswahrscheinlichkeit sowie die Schadensauswirkung, jeweils mit einem Punktwert von 1 bis 5. Das Produkt dieser beiden Faktoren ergibt den Risikoindex. Ziel ist es, den Risikoindex in einem vertretbaren Rahmen zu halten, durch Maßnahmen, welche im Sicherheitskonzept nachvollziehbar beschrieben werden.
In einer Tabelle werden nun die erkannten Risiken dargestellt, nach der Risikomatrix bewertet und ggfls. Kompensationsmaßnahmen beschrieben. Wichtig ist im ersten Schritt das Risiko auf Basis der Ist-Analyse zu betrachten.
Thema | Risikobeschreibung(en) | EW | SA | ∏ | Kompensation(en) | EW | SA | ∏ |
Stau bei Anreise | Frustration bei den Gästen Verkehrsbehinderungen | 4 | 3 | 12 | Verkehrskonzept Parkplatzdienst | 2 | 2 | 4 |
Unwetter | Gewitter über Veranstaltungsgelände | 1 | 5 | 5 | Evakuierungsplanung | 1 | 3 | 3 |
Stromausfall | Ausfall der Stromversorgung (Bühne, Gebäude, Flächen) | 1 | 5 | 5 | Netzersatzanlagen vor Ort Notbeleuchtung Flächen | 1 | 2 | 2 |
Künstler/in erkrankt | Frustration bei den Gästen Imageverlust für Veranstalter | 1 | 5 | 5 | Keine Kompensation möglich | 1 | 5 | 5 |
Diese Beispiele zeigen, wie wir uns dem Thema Risikoanalyse annehmen. Die meisten Risiken lassen sich durch Kompensationsmaßnahmen in einen akzeptablen Bereich bringen. Der im Beispiel zuletzt genannte Punkt (Erkrankung der Künstlerin) lässt sich nicht kompensieren – niemand hat einen Künstler in Standby vor Ort. Die Gäste sind angereist, um Künstlerin A zu sehen und nicht Künstler B. Das Risiko wird also bewusst eingegangen. Diese bewusste Entscheidung, ein Risiko einzugehen, solltest Du im Sicherheitskonzept ausführlich beschreiben – das macht es für die Genehmigungsbehörden leichter, Deine Entscheidungen nachzuvollziehen.
3. Kompensationsmaßnahmen
Nachdem Du nun eine umfangreiche Risikoanalyse erstellt hast, musst Du Dich den erkannten Risiken intensiv widmen und diese durch Kompensationsmaßnahmen minimieren, besser noch das Risiko beseitigen.
Stolperfallen können beseitigt oder überdeckt werden. Überdecke Stolperfallen mit Sand, stell eine Gastroinsel daneben, ein wenig Deko und Du erzeugst aus einem Risiko eine Chance, z.B. eine Beachbar. Ein fundiertes Verkehrskonzept mindert das Risiko von ungewolltem Stau, von Frustration bei den anreisenden Gästen und von Imageverlust für Dich als Veranstalter.
Beschreibe die Kompensationsmaßnahmen ausführlich, wir nutzen dazu das ALARP Prinzip um dem Kunden keine unnötigen Kosten und Maßnahmen aufzubürden. Achtung! Die Risikomatrix alleine lässt keine Wechselwirkungen der Kompensationsmaßnahmen auf benachbarte Risiken zu. Willst Du die Wechselwirkungen betrachten, hilft Dir die ISO 31000 weiter.
4. An- und Abreiseverkehr
Das Kapitel An- und Abreiseverkehr ist in der Theorie schnell bearbeitet, in der Praxis erwartet Dich hier jedoch eine Menge Detailarbeit. Ziel muss sein, den Anreiseverkehr zügig auf die Parkplätze zu bekommen und wenige bis keine negativen Rückwirkungen in den „normalen“ Straßenverkehr zuzulassen. Dazu musst Du die Tageszeit der Anreise, die Streckenführung, die Anzahl der Fahrzeuge und die zur Verfügung stehenden Parkflächen betrachten. Betrachte immer auch die Abreise – je nach Veranstaltung finden An- und Abreisen zeitgleich statt, hier sind sich kreuzende Routen ein Garant für Probleme. Auch sollten sich Wege von Fahrzeugen, Radfahrern und Fußgängern möglichst nicht kreuzen. Zu einem guten Verkehrskonzept gehört auch ein Beschilderungsplan – Grundlage dafür ist erneut eine fundierte Ist-Analyse.
5. Kommunikationswege
Kommunikation ist das A und O bei Veranstaltungen. Der Ordnungsdienst muss den Sanitätsdienst schnell erreichen, die Brandsicherheitswache den Veranstalter und so weiter. Der Ordnungsdienst will untereinander sicher kommunizieren, ebenso der Sanitätsdienst und auch der Parkplatzservice. Wir erarbeiten in unseren Sicherheitskonzepten immer auch ein Kommunikationskonzept nach dem folgenden Muster:
Funktion | Führungskanal | Arbeitskanal | Telefonnummer |
Veranstalter/in | 1 | 0171 | |
Ordnungsdienst | 1 | 2 | 0172 |
Verkehrsdienst | 1 | 3 | 0177 |
Sanitätsdienst | 1 | 4 | 01515 |
Brandsicherheitswache | 1 | 5 | |
Jugendamt | 1 | ||
usw. |
In diesem Muster sind alle Einsatzleiter/innen (Ordnungsdienst, Sanitätsdienst, Brandschutz) über den Führungskanal 1 untereinander und mit dem Veranstalter verbunden. Jede Gruppe hat darüber hinaus noch einen eigenen Arbeitskanal, wo der Ordnungsdienst unbehelligt vom Sanitätsdienst arbeiten kann. Funkkommunikation ohne nötige Infrastruktur sollte das Mittel der Wahl sein, hier ist lediglich das geladene Akku der limitierende Faktor. Lediglich als Rückfallebene oder für längere Gespräche steht das Telefon zur Verfügung.
6. unerwartete Ereignisse
Bei aller Planung können unvorhergesehene Ereignisse oder Ereignisse deren Eintreten so abstrakt galt, dass diese nicht betrachtet wurden, eintreten. Beispielsweise wäre das plötzliche Ableben des Papstes bei einer Freilichtmesse im Rahmen eines Zeltlagers ein unvorhergesehenes Ereignis, welches den Ablauf der Veranstaltung negativ beeinflussen wird. Für solche oder ähnliche Ereignisse bereiten wir in unseren Konzepten definierte Szenarien vor. Dazu zählen die Unterbrechung der Veranstaltung, aber auch der Abbruch der Veranstaltung. Die dazu nötigen Durchsagetexte werden im Vorfeld definiert, idealerweise als digitale Sprachkonserven vorgehalten.
Daraus ergeben sich noch Fragestellungen. Kann ich mit der Beschallungstechnik der Veranstaltung alle Gäste erreichen? Oder muss ich Megaphone vorhalten, welche vom Ordnungsdienst genutzt werden um auch den entlegensten Gast zu informieren?
7. Krisenmanagement vor Ort
Wichtige Entscheidungen trifft immer das Krisen- und Notfallteam (KnoT) vor Ort. Dazu gehören immer der Veranstalter, die jeweiligen Einsatzleitungen (Ordnungsdienst, Sanitätsdienst, Brandschutz, Verkehrsdienst) sowie situativ die Polizei und die Ordnungsbehörde. Je nach Veranstaltung kann oder muss das Jugendamt hier wichtige Impulse liefern.
Zu jedem Meeting des KnoT wird ein schriftliches Protokoll erstellt. Dies dient im Zweifel als Nachweis, dass sich einer Situation angenommen wurde, wer zum Zeitpunkt der Entscheidung vor Ort war und diese mitgetragen hat. Manchmal werden Entscheidungen auch gegen den Rat eines Bereiches (z.B.: Parkplatzservice) getroffen, auch dies ist zu dokumentieren.
Fazit
Dieser kurze Artikel zeigt Dir auf, wie wir bei der Churitas uns den Sicherheitskonzepten nähern. Wie wir die Veranstaltung betrachten und die Maßnahmen für den Veranstalter wirtschaftlich und zielführend beschreiben. Oberste Ziele sind eine sichere Veranstaltung, zufriedene Gäste und ein Imagegewinn für den Veranstalter. Zu jedem Aspekt gibt es Vorgaben, für die Berechnung des Sanitätsdienstes kannst Du den Kölner Algorithmus nutzen – dieser setzt sich immer mehr durch und ist unser Werkzeug der Wahl für die Kalkulation von Sanitätsdiensten. Für die Berechnung der nötigen Sanitäranlagen hilft Dir die VDI Richtlinie 6000, hier das Blatt 3, und für die Abfallentsorgung kannst Du die Abfallschlüsselnummern zu Rate ziehen.
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